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Kölnische Volkszeitung
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Donnerstag, den 11. April 1940
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Das Lebenswerk eines Graphikers

          Der Kölner Landschaftsmaler und Graphiker Theo Blum, der am Niederrhein geboren ist und seiner Kunst in Deutschland und weit darüber hinaus viele Freunde gewonnen hat, stellt im Bonner Obiernier-Museum Kaltnadelradierungen aus 25 entscheidungsreichen Jahren, aus der Zeit von 1915 – 1940. In Frankreich beginnt die Folge: sie führt darin über Mailand und Italien in das deutsche Land, und in besonderer Liebe verweilt der Künstler im rheinischen Bezirk an der Mosel und Saar.
          Das Erste, was beim Überblick über dieses reiche und fesselnde Werk auffällt, ist die unbedingt handwerkliche Sicherheit. Ein Meister der Zeichnung zwingt sch zu letzter und feinster Bemühung mit einem wahren Hass auf alles Ungefähre und trüb Ver- wischte. Man muss die Lupe zur Hand nehmen, um zu erkennen, wie groß die Skala der Schwarz-Weiß-Töne ist: vom geballten Dunkel über allmählich sich strichlagen bis zu einer solchen Leichtigkeit, dass man geradezu den Eindruck des Hauchhaften und des Schäumenden empfängt. Wie der Musiker sorgfältig die Stimmen ab- stuft vom Leisen zum Lauten und wieder zum Leisen hin, so ist auch Blum mit der Kunst des An und Abschwellens wohl vertraut.
          Aus dieser handwerklichen Tüchtigkeit heraus - dass sie schwer erworben ist, zeigen etwa die Frankreichblätter in ihrer zwar ursprünglichen, aber durch die noch mangelhafte Technik auch groben Sprache - ringt sich der Künstler zu immer größeren Aufgaben durch. Die Verführung des Dilettanten ist der malerische Winkel. Blum weiß es, und so stellt er sich die Aufgabe, nicht bei der lieblichen malerischen Einzelheit stehen zu bleiben, sondern eine Überschau über ein Ganzes zu geben, den Bau einer Landschaft auf der Radierung einzufangen dem ewig unbeschreib- lichen Dialog zwischen Nähe und Ferne, Vorder- und Hintergrund zu gestalten. Seine Arbeiten gewinnen sich im Laufe der Jahre immer an Weite hinzu, und um diese Weite zu bewältigen und als eine unerschöpfliche Lebensfülle erscheinen zu lassen, bedurfte es der gleichsam orchestralen Beherrung der Technik.
          Blum erreichte sein Ziel des Schwarzweissblattes über viele Zwischenstufen. Er machte zu jeder Graphik auch eine farbige Darstellung nach der Natur. Aber er übersetzte dann nicht sklavisch die farbige Skizze in die Zeichnung und diese hinwiederum auf  die Kupferplatte, sondern er verwandelte das farbig geschaute in ein neue Ordnung der Helligkeit und Dunkelheit. Und es ist eine eigene Ordnung was er aufbaut - nicht zu vergleichen mit dem Aquarell oder der Tusche oder der Handzeichnung.
          Die Kraft seines Sehens bewährt sich vor allem in der Auseinandersetzung mit solchen Motiven, die oft konventionell be- handelt worden sind. Italien oder der Rhein - wie viel Süßlichkeit und Kitsch ist im Anblick dieser Landschaften entstanden! Aber man muss sie nicht süßlich und sentimental sehen. Blums be- deutendes Rom-Werk oder sein Blatt „Der Rhein bei Godesberg“ beweisen es. Rilke mahnt in seinen Briefen an einen jungen Dichter: „Schreiben Sie nicht Liebesgedichte, weichen Sie zuerst denjenigen Formen aus, die zu geläufig und gewöhnlich sind: sie sind die Schwersten, denn es gehört eine große, ausgereifte Kraft dazu Eigenes zu geben, wo sich gute und zum Teil glänzende Überlieferungen in Menge einstellen.“ Es ist in allen Künsten dasselbe: nur die Reife darf das oft bearbeitete Motiv aufgreifen.
          Im Neusehen des oft Gesehenen und in der Entdeckung des oft Übersehenen erfüllt sich Blums handwerklich genaue Arbeit: sie gilt der Weite, etwa auf dem Blatt Zell a. d. Mosel, gilt dem Harten und Gewaltigen, etwa im Zyklus Rom – „wie groß, wie seiend!“ möchte man dazu mit Goethe sagen – gilt der Spannung des dunklen Vordergrundes und des linear-klaren Hintergrundes, z.B. in der Darstellung der Schleif bei Saarburg, gilt einer fast verwehenden lichten Feinheit, die als Symbol höchster Lebensfreude über der Landschaft schwebt: Auf der Radierung „Weinert Aldegund“. Es ist das Werk eines ausgesprochen rheinischen Menschen: voll vergeistigter Sinnlichkeit.

Prof. Dr. Heinrich Lützeler,         .

Bonn         .
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